Interview mit Erstem Bürgermeister Christoph Schneider
Aufstellungsversammlung der Unabhängigen Neubeurer – Schneider: „In 2-3 Jahren stehen wir als Gemeinde sehr gut da“
Die Unabhängigen Neubeurer laden anlässlich der Kommunalwahl am 08.03.2026 zur Aufstellungsversammlung ein. Diese findet am 09.10.2025 ab 19:30 Uhr im Gasthaus Stangenreiter am Marktplatz 26 statt. Im Rahmen der Versammlung sollen die formellen Voraussetzungen geschaffen werden, damit der amtierende Bürgermeister Christoph Schneider (Unabhängige Neubeurer) für eine neuerliche Amtszeit antreten kann. Die Redaktion der Samerberger Nachrichten hat sich im Vorfeld mit Schneider über die aktuelle Situation in Neubeuern unterhalten.
Samerberger Nachrichten (SN): Lieber Christoph, alle Jahre wieder führen wir im Herbst ein Interview, aufgrund der Aufstellungsversammlungen in Neubeuern einen Monat früher als gewohnt: Wie ist das vergangene Jahr gelaufen?
Schneider: Das Jahr ist sehr gut verlaufen. Wir hatten nochmal große Nachwehen von unseren Projekten und Baustellen, die uns sehr gefordert haben, aber so langsam etablieren sich die Strukturen und Abläufe. Der Umzug ins Rathaus war ein Meilenstein und in dem Gebäude wachsen wir wirklich zu einer modernen und gut organisierten Gemeinde. Ein wenig Geduld und Atem braucht es noch – aber grundsätzlich bin ich für die nächste Zeit sehr optimistisch eingestellt.
SN: Bleiben wir gleich beim Rathaus: Rund 800 Menschen waren am Tag der Offenen Türe und bei der feierlichen Eröffnung am Jahresanfang, warst Du überrascht?
Schneider: Ehrlich gesagt schon. Ich habe schon wahrgenommen, dass die Stimmung gut war und die Leute alle froh waren, dass wir eine schnelle und wirtschaftliche Lösung in der Frage gefunden haben. Ich hätte aber nie gedacht, dass das Interesse am eigentlichen Gebäude und unserer täglichen Arbeit so groß ist. Darüber hinaus waren auch viele Besucherinnen und Besucher aus anderen Gemeinden da. Ich habe da einige Gemeinderäte aus den umliegenden Orten gesehen. Das hat viele Neubeurer schon stolz auf „ihr Rathaus“ gemacht. Gemeinderat, Verwaltung und Bevölkerung sind durch das neue Rathaus schon auch nochmal mehr zusammengerückt.
SN: Auch unter dem Hintergrund, dass das Rathaus nicht nur von der Verwaltung genutzt wird…
Schneider: Richtig. Wir haben die Kirchengemeinde sozusagen als Untermieter im Gebäude. Im Erdgeschoss finden Bibel- und Seniorenkreise statt, Firm-Unterricht und sogar eine Mutter-Kind-Gruppe trifft sich jeden Donnerstag. Das bricht schon auch alte Denkmuster einer Verwaltung auf: Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes gläsern, die Mitarbeiter treffen Bürger und andersherum, man sieht das im Rathaus gearbeitet wird, man kennt die Sachbearbeiter besser – in meinen Augen alles positive Dinge für unsere Gemeinde. Und die Übernahme des Pfarrsaals durch die Gemeinde ist ja auch ein Glücksfall gewesen.
SN: Was ist dort entstanden?
Schneider: Wie in allen Gemeinden ist in Sachen Kinderbetreuung richtig Druck auf dem Kessel, was uns vor 2,5 Jahren veranlasst hat auf die Kirche zuzugehen mit der Bitte, dass wir den Pfarrkindergarten vergrößern und ausbauen können. Ich bin wirklich dankbar dafür, dass wir da so offene Türen in den kirchlichen Gremien eingerannt haben und jetzt den wunderbar gelegenen Kindergarten mit zwei Gruppen im alten Pfarrsaal erweitert und auch im Bestand modernisiert haben. Das ist eine attraktive Einrichtung, die von der Leitung Stefanie Seigner richtig gut organisiert wird. Mit der Zwergerlburg und dem Pfarrkindergarten gibt es jetzt zwei Einrichtungen mit insgesamt 10 Gruppen in Neubeuern.
SN: Kommen wir zum anderen kommunalpolitischen Dauerbrennerthema, dem Wohnen. Was kannst Du da berichten?
Schneider: Das wir auch in dem Thema versuchen unsere Hausaufgaben zu machen und Angebote für die Bürgerinnen und Bürger schaffen.
Im Jahr 2025 haben wir Bebauungsplanverfahren abgeschlossen, die in den nächsten Jahren ein Angebot an Wohnraum schaffen werden. Da wäre einmal die Umnutzung des Auerhofs in ein Wohn- und Geschäftshaus mit 12 Maisonettewohnungen, dann der Abriss der alten Geschäftsstelle der VR Bank verbunden mit einem Neubau mit neun Wohneinheiten und natürlich die genossenschaftliche Wohnanlage in der Rosenheimer Straße mit 25 Wohnungen. Bei letzterem Projekt hätte ich mir gewünscht, dass die Baustelle schon in diesem Jahr anläuft. Leider gab es da aber im Bebauungsplanverfahren Verzögerungen und etwas Widerstand. Ich denke aber, dass man mit der Realisierung des genossenschaftlichen Wohnens im Mutzenweg gesehen hat, dass das unserer Gemeinde richtig guttut und in Zukunft ein wichtiger Baustein für das leistbare Wohnen in Neubeuern ist.
SN: Apropos Schlüssel: Wir führen das Gespräch im Vorfeld des Spatenstichs für eine Gewerbegebietserweiterung in Heft. Wie sieht es bei dem Thema aus?
Schneider: Du sagst es: Nächste Woche geht die Erschließungsmaßnahme los. Wir haben in der September-Sitzung des Gemeinderats über 5 Hektar Misch- und Gewerbegebietsfläche ausgewiesen. Ein Meilenstein für unsere Ortsentwicklung und natürlich ein Schritt in Richtung finanzielle Unabhängigkeit.
SN: Was setzt ihr für einen Schwerpunkt im Gewerbegebiet?
Schneider: Von Anfang an war es Ziel der Eigentümerfamilie und der Gemeinde hier etwas zu planen, was zu Neubeuern passt. Letztlich haben wir ein Konzept erstellt, welches in erster Linie Handwerks- und Technologiebetrieben zugutekommen soll. Mir gefällt diese Worthülse von „Laptop und Lederhose“ eigentlich nicht, aber die ist auf Heft schon sehr passend. Auf der einen Seite wollen wir die Daseinsvorsorge mit den Handwerksbetrieben in Neubeuern stärken und den Elektrikern, Haustechnikern, Fliesenlegern und so weiter eine Zukunft bei uns geben, auf der anderen Seite uns aber mit Softwarefirmen rund um ORCA auch zukunftsfähig aufstellen.
SN: Was sicherlich auch finanziell für die gebeutelte Gemeinde wichtig ist?
Schneider: Da brauchen wir überhaupt gar nicht darüber diskutieren, dass wir die Einnahmen im Bereich der Gewerbesteuer ausbauen müssen, um uns entsprechend wieder aufzustellen und aus der Talsole, die wir durchschritten haben, jetzt wieder rauszukommen.
Die finanzielle Situation war und ist keine leichte. Zu lange wurden in unserer Gemeinde – so ehrlich muss man sein – bei den Großprojekten keine Entscheidungen getroffen: Rathaus, Kläranlage, diverse Straßen und einiges mehr sind ja teilweise schon seit 20 Jahren ohne politischen Durchbruch Thema gewesen. Wir konnten das jetzt nicht mehr schieben ohne die Kosten dafür weiter exorbitant zu erhöhen, haben aber eigentlich in Summe zu viel und zu schnell investiert in den letzten Jahren.
Verbesserungsbeiträge, Gewerbesteuer- und Gebührenerhöhungen und Kreditaufnahmen – das waren alles keine leichten Entscheidungen. Da hat man als Bürgermeister schon auch mal schlecht geschlafen. Ich bin aber optimistisch, dass wir in 2-3 Jahren wieder gut dastehen. Durch das Abarbeiten der Großprojekte, bei denen wir jetzt wieder für Jahrzehnte Werte geschaffen haben – und durch die gewerblichen Entwicklungen in Heft werden wir finanziell wieder solide dastehen und haben einige große Pflichtaufgaben für lange Zeit gelöst. Da gibt es gerade auch in Heft einige Anzeichen, die noch nicht spruchreif sind, die meine Hoffnungen sehr bestärken.
SN: Gehen wir weg von den Sachthemen: Du bist jetzt fast 6 Jahre Bürgermeister und willst am 08.03.2026 wieder kandidieren. Was ist Deine Motivation dazu?
Schneider: Meine Motivation ist eigentlich leicht zu erklären. Wir haben jetzt so viele Dinge in den letzten 6 Jahren angepackt und geschaffen – das will ich jetzt einfach weiterführen und festigen: Außer ein paar schwierigen Phasen zwischendurch war das eine tolle Periode, in welcher viel aufgegangen ist. Der Rückhalt im Gemeinderat und von den politischen Gruppierungen ist da, viele Bürger bestärken mich in meiner Arbeit und auch die Angestellten gehen den Weg mit. Wenn man mir noch eine Periode gibt und bei der ein oder anderen Sache noch ein wenig Geduld hat, dann bin ich überzeugt davon, dass wir als Gemeinde in 2-3 Jahren wirklich sehr gut dastehen.
SN: Du sprichst schwierige Phasen in der ersten Amtszeit an. Welche waren das?
Schneider: Ich würde mal sagen, dass das zweite Jahr sehr schwer war. Die Pandemie hat die Welt verändert, die Anfangseuphorie und meine Vorschusslorbeeren waren weg, wir hatten bei dem Thema „Mobilfunk“ eine angeknackste Stimmung und die Leute haben sich wahrscheinlich gefragt „Jetzt schauen wir mal, ob es der Schneider wirklich schafft“.
Dann lief es lange gut, die Erfolge wurden sichtbar bis mich dann persönlich leider eine Tumorerkrankung getroffen hat, die einen als jungen Familienvater natürlich auch nachdenklich macht. Und dann gibt es noch eine Sache, die will ich als Bürgermeister nicht mehr erleben müssen. Ein Hochwassertag wie im Juni 2024 ist glaube ich in dem Job mit das Schlimmste was einem passieren kann.
SN: Nimm uns da mit!
Schneider: Man ist einfach machtlos. Du stehst neben Feuerwehrkommandant und Bauhofleiter und eine Hiobsbotschaft nach der anderen prasselt auf Dich ein. Anrufe, WhatsApp-Nachrichten und Mails im Minutentakt. Man kann während dem Ereignis an sich eigentlich nur kaschieren und präsent sein – das wars dann aber auch. Im Nachgang darf man sich dann natürlich alles anhören. Jede neue Bebauung in der Gemeinde, jeder nicht geräumte Gullideckel, jeder verstopfte Rechen und jede vollgelaufene Wiese kriegst Du vorgehalten und wirst dafür in die Verantwortung genommen. Man geht dem auch nach, nur schnelle langfristige Lösungen gibt es bei dem Thema halt leider nicht.
SN: Richtungswechsel – was waren die schönen Momente und Höhepunkte?
Schneider: Da gab es einige: Die Einweihungen an der Kläranlage, des neuen Rathauses und des Friedhofs waren natürlich toll, ebenso auch einige Erlebnisse beim Gaufest in Altenbeuern oder im Fasching.
Oft sind aber die in der öffentlichen Wahrnehmung kleineren Dinge die Besten: Eigentlich gibt es nicht viel schöneres als Freitagmittag nach einer anstrengenden Woche ein Brautpaar am Marktplatz zu verheiraten. Die Gestaltung des Trauzimmers dort war 2021 eine tolle Idee. Und dann gab es noch diese Schlüsselübergabe bei den genossenschaftlichen Wohnungen im Mutzenweg. Da habe ich bei einer Mieterin die Freudentränen gesehen – da sieht man das die Kommunalpolitik für den Menschen Tolles bewirken kann.
SN: Letzte Frage zur Aufstellungsversammlung am 09.10.: Wie läuft der Abend ab?
Schneider: Im Prinzip ähnlich wie letztes Mal in 2019. Wir „Unabhängigen Neubeurer“ stellen nur einen Wahlvorschlag für die Bürgermeisterwahl, keine Kandidatenliste für den Gemeinderat. Es dürfen alle Bürgerinnen und Bürger kommen und an meiner Nominierung teilnehmen, die keinen Wahlvorschlag einer anderen Gruppierung oder Partei für die Bürgermeisterwahlen unterstützen. Unser Nachbarbürgermeister Georg Huber vom Samerberg wird die Versammlung leiten.
Ich würde mich natürlich darüber freuen, wenn viele kommen und mich dann auch entsprechend als Wahlvorschlag mittragen. Ansonsten soll das alles so niederschwellig wie möglich laufen. Nach der Nominierung sind die persönlichen Gespräche am TIsch wichtig.